Seit 1.10.2022 kann bei bestimmten Gaszentralheizungen eine gesetzliche Pflicht zu hydraulischem Abgleich bestehen. Die Pflicht folgt aus der neuen EnSimiMaV. Die Verordnung soll dazu beitragen, den Erdgasverbrauch in Deutschland zu reduzieren. Gebäudeeigentümer sind nun verpflichtet, Gasheizungen daraufhin zu überprüfen, ob Einsparpotenziale bestehen. Bestimmte Optimierungen müssen sehr zeitnah in die Tat umgesetzt werden.
Die neuen Vorgaben haben Auswirkungen auf Mietverhältnisse. Denn Mieter müssen die Maßnahmen in der Regel nicht nur dulden, sondern können bei Verstößen gegen die neuen EnSimiMaV-Pflichten mitunter sogar Rechte gegen den Vermieter haben.
Hydraulischer Abgleich – Optimierung einer Zentralheizung
Eine Zentralheizung besteht aus einem weitverzweigten Leitungsnetz. Einige Räume liegen nah an der Heizung dran, sodass der Wärmeträger, zum Beispiel heißes Wasser, nur eine kurze Distanz zu überbrücken hat. Andere Räume liegen weiter entfernt vom Heizkessel. Die Herausforderung besteht nun darin, alle Räume entsprechend ihres jeweiligen Wärmebedarfs gleichmäßig zu versorgen. Überheizungen und Unterversorgungen gilt es zu vermeiden.
Dazu dient ein hydraulischer Abgleich. Das zentrale Heizungssystem wird analysiert und so angepasst, dass eine gleichmäßige Wärmeversorgung mit möglichst wenig Energieeinsatz möglich wird. Ein hydraulischer Abgleich kann etwa eine Anpassung der Vorlauftemperatur oder den Einbau von Ventilen zur Regulation des Wärmeflusses beinhalten. Im Idealfall gelingt es, jeden Raum passgenau mit Wärme zu versorgen – und zwar mit möglichst wenig Energieverbrauch. Mit finanziellen Vorteilen für den Mieter, der sich dann über geringere Heizkosten freuen kann.
Mieter beschweren sich über Energiefresser-Heizung
Viele Mieter fragen sich deshalb: Kann ich von meinem Vermieter eigentlich verlangen, dass er die Gaszentralheizung durch einen Fachbetrieb hydraulisch abgleichen lässt? Schließlich schreibt die EnSimiMaV genau das für bestimmte, größer dimensionierte Gaszentralheizungen zwingend vor. Muss der Vermieter nicht wenigstens die überhöhten Heizkosten übernehmen, welche nur deswegen entstehen, weil die Zentralheizung schlecht eingestellt ist?
Das alles sind schwierige rechtliche Fragen, die zum Teil noch gar nicht abschließend geklärt sind.
Heizung muss vor allem ordentlich heiß werden
Eine mangelfreie Heizung muss in erster Linie diejenige Leistung erbringen, die nötig ist, um die Wohnung je nach Tages- bzw. Nachtzeit auf 18 bis 20 °C, die sogenannte „Behaglichkeitstemperatur“, zu bringen. Je nach Region setzen die Gerichte auch etwas niedrigere oder höhere Soll-Werte an.
Damit ist aber nicht gesagt, wie energieeffizient die Heizung wirklich arbeitet. Eine Uralt-Heizung im schlecht gedämmten Altbau verbrennt deutlich mehr Kilowattstunden Energie als ein feinjustiertes Wärmesystem, das im Jahr 2023 in einen Neubau nach KfW-Standard installiert wird.
BGH: Kein Anspruch des Mieters auf höchsten Standard
Die meisten Mietverhältnisse laufen natürlich im älteren Bestand. Kann ein Mieter dennoch in puncto Energieeffizienz den aktuellsten Neubau-Standard verlangen?
Die bisherige Rechtsprechung steht bei dieser Frage eher nicht auf der Seite des Mieters. Sie gewährt ihm kein Recht auf eine Heizung, die den höchsten technischen Standards entspricht, solange sie nur für angenehme Temperaturen in allen Räumen sorgt.
Das ist eigentlich klar: Wer einen 60er-Jahre-Bau mietet, kann keine High-Tech-Heizung erwarten. Ausgangspunkt ist der Baustandard, der bei Errichtung des Gebäudes galt. Diesen schuldet der Vermieter mindestens. Hat sich der übliche Standard innerhalb einer Baualtersklasse seitdem erhöht, so muss der Vermieter ebenfalls mitziehen. Wenn also die meisten 60er-Jahre-Gebäude mittlerweile eine Erneuerung der Heizungsanlage hinter sich haben, erhöht das den heute geschuldeten Standard entsprechend.
Kurz: Der Vermieter schuldet, was die Energieeffizienz angeht, in vielen Fällen nur den baualterstypischen Standard.
Mieter hätte theoretisch Anspruch auf baualterstypischen Standard
Ein Mieter könnte sich also eigentlich mit guten Chancen auf den baualterstypischen Standard berufen. Die Gretchenfrage lautet dann aber: Welcher Standard ist denn für dieses Mietobjekt baualterstypisch? Das wird nicht nur allein an der Jahreszahl der Errichtung festzumachen sein, sondern es kommt auf weitere Faktoren an wie die Art und Lage des Gebäudes. Ein Hamburger Hochhaus aus den 60er-Jahren ist nicht vergleichbar mit einem Einfamilienhaus im Allgäuer Land, welches ebenfalls in den 60ern errichtet wurde. Den einen, allgemeingültig üblichen Standard für ein bestimmtes Baujahr gibt es eben nicht.
Und selbst wenn der baualterstypische Standard sich theoretisch herleiten ließe – in der juristischen Praxis wird es nur in seltenen Ausnahmefällen gelingen, diesen gerichtsfest zu belegen. Abgesehen von augenfälligen Ausreißern entsprechen die meisten Gebäude eben dem baualterstypischen Standard – sonst wäre jener Standard ja definitionsgemäß nicht baualterstypisch.
Gerade beim hydraulischen Abgleich sind die Erfolgschancen vor Gericht deshalb eher gering. In Einzelfällen mag es vorkommen, dass die Heizungsanlage dermaßen schlecht eingestellt ist, dass sie nicht der vertragsgemäßen Soll-Beschaffenheit entspricht. Gelingt es dem Mieter, einen solchen Mangel nachzuweisen, so kann das Gericht ihm durchaus einen Anspruch auf Verbesserung der Heizung zusprechen.
Kostenfalle Wirtschaftlichkeitsgebot: Was „schlafenden“ Vermietern droht
Sich zurückzulehnen und untätig zu bleiben, ist dennoch keine Option. Für Vermieter mit professionellem Selbstverständnis ist die Einhaltung geltenden Rechts nicht nur unter dem Aspekt der Compliance und daran anknüpfender Haftung eine Selbstverständlichkeit. Darüber hinaus drohen konkrete finanzielle Risiken. Vermieter, die sich „schlafen legen“, kann es spätestens beim nächsten Streit um die Höhe der Heizkosten kalt erwischen.
Das Stichwort heißt: „Wirtschaftlichkeitsgebot“. Der Vermieter muss wirtschaftlich vernünftig handeln, weil er das Mietobjekt quasi auf Rechnung des Mieters bewirtschaftet. Sonst verstößt der Vermieter gegen seine Vertragspflichten und muss darauf beruhende finanzielle Schäden ersetzen.
Die Rechtsprechung des BGH ist zwar auch bei dieser Frage zunächst gnädig: Der Weiterbetrieb einer nicht energieeffizienten Sub-Standard-Heizung ist an sich nicht unvernünftig, weshalb der Vermieter damit allein noch nicht gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstößt. Das gilt allerdings nur solange, wie der Heizungsbetrieb im Einklang mit geltendem Recht steht.
Heizkostenkürzung des Mieters wegen EnSimiMaV-Verstoß
Hier befindet sich ein Einfallstor für berechtigte Heizkostenkürzungen des Mieters in Fällen, in denen der Vermieter die Fristen zum hydraulischen Abgleich ungenutzt verstreichen lässt. Der Vorwurf lautet dann: Die Heizkosten sind nur deswegen so hoch, weil der Vermieter die EnSimiMaV-Pflichten gesetzeswidrig nicht erfüllt hat. Folge ist, dass der Mieter die Heizkosten-Mehrbelastung kürzen kann, die bei ordnungsgemäß optimierter Heizung vermeidbar gewesen wäre.
Steht ein solcher Gesetzesverstoß fest, so helfen einige Gerichte dem Mieter sogar bei der Feststellung des entgangenen finanziellen Sparpotenzials. Teilweise wird dann nämlich der Vermieter dafür zuständig gesehen, ein plausibles Rechenwerk aufzustellen, welches zur Ermittlung des konkreten Schadensbetrages nötig ist. Dem Mieter sei das technische Kleinklein hypothetischer Vergleichsbetrachtungen nicht zumutbar.
Unser Experte für Heizungsmietrecht, Philipp I. Lee (LL.M.), erläutert im aktuellen Webinar „Vermieterpflicht: Heizungsoptimierung & hydraulischer Abgleich“ die Vorgaben der EnSimiMaV und gibt einen Ausblick auf die GEG-Novelle zu dieser Thematik.
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